Welche Formen der Kindeswohlgefährdung gibt es?
Es gibt folgende Formen von Kindeswohlgefährdung. Die Einteilung ist an die
Übersicht des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Nordrhein-
Westfahlen e.V., 2010) angelehnt und wurde durch uns erweitert:
1. Vernachlässigung
Vernachlässigung ist die andauernde oder wiederholte Unterlassung
fürsorglichen Handelns der sorgeverantwortlichen Personen.
Körperliche Vernachlässigung:
unzureichende Versorgung mit Nahrung, unzureichende Qualität der
Nahrung, keine witterungsangemessene Kleidung, Fehlen jeglicher Hygiene,
unzureichende medizinische Versorgung, kein fester Schlafplatz
Erzieherische und Kognitive Vernachlässigung:
fehlende Kommunikation, fehlende erzieherische Einflussnahme, fehlende
Anregung für kindliche Entwicklung, bewusster Konsum von Suchtmitteln im
Beisein des Kindes
Emotionale Vernachlässigung:
Mangel an Wärme, Geborgenheit, Wertschätzung, liebevollem Verhalten
Unzureichende Aufsicht:
Allein lassen von Kindern innerhalb und außerhalb des Wohnraums ohne
Absprache, ausbleibende Reaktion auf nicht abgesprochene Abwesenheiten
des Kindes, Zugang zu Waffen, Zugang zu Medien, welche nicht für das
jeweilige Alter freigegeben sind, Mitführen und Hören von illegaler bzw.
verbotener Musik, Zugang zu Suchtmitteln, Zugang zu Orten, mit einer
unmittelbaren Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des
Kindes
2. Erziehungsgewalt und Misshandlung
Körperliche Erziehungsgewalt:
leichte Formen der körperlichen Gewalt als Erziehungsmaßnahme, z.B.
Klaps auf den Mund, Ohrfeige, hart anpacken
Körperliche Misshandlung:
Verletzungen herbeiführen oder in Kauf nehmen, z.B. Schläge, Tritte,
Verbrennungen, Vergiftungen, Schütteln, Einklemmen
Seelische Erziehungsgewalt:
kurzzeitige Formen der seelischen Gewalt, z.B. kurzzeitige extreme verbale
Ablehnung, Anschreien, Instrumentalisierung des Kindes bei Konflikten
zwischen Erwachsenen
Seelische Misshandlung:
Verhaltensweisen und Vorfälle, die dem Kind das Gefühl geben, es sei
wertlos, ungewollt, schlecht
Das Verhalten tritt so oft auf, dass es zur Eltern-Kind-Beziehung gehört, z.B.
verbale Abwertung des Kindes, Beschimpfung, Verspotten, Stigmatisierung
als Sündenbock, Isolierung, Einsperren, Drohungen, Ignorieren, Kind
zu strafbarem oder selbstzerstörerischen Verhalten veranlassen, Kind
in die Rolle eines Erwachsenen drängen, Überbehütung, unschlüssige,
widersprüchliche Verhaltensweisen.
Sonderform der Misshandlung: (Cyber-)Mobbing
andauernder bewusster Einsatz seelischer und/oder körperlicher Gewalt
durch Einzelpersonen oder Gruppen, Kind findet keine Unterstützung bei
Erwachsenen
Sonderform der Misshandlung: Münchhausen-by-proxy-Syndrom
Die Personensorgeberechtigten (meist Mütter) erfinden Krankheiten für ihr
Kind und täuschen damit Ärzt_innen. Entweder sie erfinden Symptome und
beschaffen notwendige Beweise, indem sie z.B. Farbstoffe zu Stuhl oder
Urin hinzufügen oder sie erzeugen Störungen durch Vergiftungen z.B. mit
Hilfe von Medikamenten.
3. Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Erwachsener
seine Machtstellung gegenüber dem Kind ausnutzt, um eigene Bedürfnisse
zu befriedigen.
Körperliche sexualisierte Gewalt:
körperliche Handlungen mit und ohne Körperkontakt, z.B. Küssen,
Manipulieren der Geschlechtsorgane, Sexualverkehr, Zuschauen bei
Selbstbefriedigung
Seelische sexualisierte Gewalt:
anzügliche oder beleidigende Bemerkungen und Witze über den Körper
oder die Sexualität eines Kindes, altersunangemessene Gespräche über
Sexualität, Zugänglich machen von pornografischen Darstellungen
Sonderformen sexualisierter Gewalt:
pornografische Ausbeutung von Kindern
Kinderprostitution
sexualisierte Gewalt in den neuen Medien, z.B. Veröffentlichen von
Nacktfotos im Internet, heimlich gedrehte Filme mit der Handykamera auf
der Toilette oder in der Umkleide, Kontakt zu Opfern im Chat
4. Häusliche Gewalt
Mit Häuslicher Gewalt sind Gewalthandlungen zwischen Erwachsenen
gemeint, von denen das Kind in der Regel mit betroffen ist.
Körperliche Gewalt:
Schlagen, Treten, Würgen, Nahrungsentzug
Seelische Gewalt:
Einschüchterung, Erniedrigung, Kontrolle, Verbote, Drohungen, Einsperren
Sexualisierte Gewalt:
Zwang zu sexuellen Handlungen oder Vergewaltigung
Mögliche Formen der Betroffenheit des Kindes:
Zeugung durch Vergewaltigung
Misshandlungen während der Schwangerschaft
Aufwachsen in einer Atmosphäre der Gewalt
Gewalterfahrungen als Mitgeschlagene